Im Beitrag vom 01.07.2016 hatten wir auf die niedrigen Hürden für eine Strafbarkeit wegen Marktmanipulation aufmerksam gemacht. Eine Gesetzesänderung hat diese Hürden für Taten, die vor dem 03.07.2016 begangen worden sind, möglicherweise wieder deutlich erhöht, und zwar unabsichtlich.
Hintergrund ist die Umsetzung der europäischen Vorgaben in der zweiten Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD II) und der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) in deutsches Recht durch das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz. Mit der MAR sind zum 03.07.2016 neue Straf- und Bußgeldvorschriften in Kraft getreten. Die alten Straf- und Bußgeldvorschriften in §§ 38, 39 WpHG mussten daher aufgehoben werden. Durch ein Versehen des Gesetzgebers ist dies bereits zum 02.07.2016 geschehen. Am 02.07.2016 waren daher weder die alten noch die neuen Straf- und Bußgeldvorschriften gültig. Die BaFin steht zwar auf dem Standpunkt, dieser Lapsus des Gesetzgebers entfalte keine Wirkungen auf Taten, die vor dem 02.07.2016 begangen worden sind. Das letzte Wort haben in diesem Zusammenhang aber die Strafgerichte, vielleicht sogar das Bundesverfassungsgericht. Stichworte sind in diesem Zusammenhang das Prinzip des mildesten Gesetzes (§ 2 Abs. 3 StGB, § 4 Abs. 3 OWiG) sowie das verfassungsrechtlich verankerte Rückwirkungsverbot. Die 24-stündige Strafbarkeitslücke dürfte daher entgegen der Ansicht der BaFin durchaus die Ahndung vorzeitiger Manipulationstaten vereiteln.
Nochmalige Aktualisierung am 24.01.2017: Mittlerweile hat der Bundesgerichtshof Gelegenheit gehabt, das Vorliegen einer Ahndungslücke zu prüfen. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es durch die Neufassung von § 38 Abs. 3 Nr. 1, § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG zum 02.07.2016 zu keiner Lücke in der Ahndbarkeit von Insiderhandel und Marktmanipulation gekommen sei (BGH, Urteil vom 10.01.2017 – 5 StR 89/15 = WM 2017, 172 ff.).
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