Der Entwurf vom 22.09.2010 des kurz als „Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz“ bezeichneten Vorhabens basiert auf dem „Schäuble-Entwurf“ vom 03.05.2010 (vgl. hierzu unsere Meldung vom 05.05.2010), setzt diesen allerdings nicht vollständig um. Er sieht Änderungen und Ergänzungen in zahlreichen kapitalmarktrelevanten Regelwerken vor.
Betroffen sind das Wertpapierhandelsgesetz samt WpDVerOV (Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung), das Investmentgesetz, das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, die WpÜG-Angebotsverordnung, sowie die Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung.
Die wesentlichen Neuregelungen sind:
1. Anlegerschutz stärken
Der Regierungsentwurf sieht als Kernpunkt eine Reihe von Neuregelungen zur Stärkung des Anlegerschutzes vor.
1.1. Produktinformationsblatt
§ 31 III Satz 4 WpHG-E sieht vor, dass Privatkunden im Rahmen der Anlageberatung vor Abschluss des Geschäfts ein kurzes und leicht verständliches Informationsblatt über jedes Finanzinstrument zur Verfügung zu stellen ist. Für Investmentfondsanteile tritt an die Stelle das Dokument im Sinne des Artikels 78 der Richtlinie 2009/65/EG (OGAW). Das Produktinformationsblatt soll bei nicht komplexen Finanzinstrumenten maximal zwei DIN-A 4 Seiten umfassen, bei allen übrigen maximal 3 DIN-A 4 Seiten.
Die inhaltliche Ausgestaltung wird im § 5 a I WpDVerOV-E im Detail geregelt: Es muss die wesentlichen Informationen über das jeweilige Finanzinstrument in übersichtlicher und leicht verständlicher Weise so enthalten, dass der Kunde insbesondere
– die Art des Finanzinstruments,
– seine Funktionsweise,
– die damit verbundenen Risiken,
– die Aussichten für die Kapitalrückzahlung und Erträge unter verschiedenen Marktbedingungen und
– alle mit der Anlage verbundenen Kosten
einschätzen und mit den Merkmalen anderer Finanzinstrumente bestmöglich vergleichen kann.
Das Informationsblatt darf sich jeweils nur auf ein Finanzinstrument beziehen, darf keinen wertenden Charakter haben und kann auch als elektronisches Dokument zur Verfügung gestellt werden. Wird das Informationsblatt nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt, kann dies als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
1.2. Registrierung von Mitarbeitern durch BaFin, Sanktionen bei Verstößen
Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen ihre Anlageberater, Vertriebsbeauftragten und Compliance-Beauftragten bei der BaFin registrieren lassen (§ 34 d WpHG-E). Diese Mitarbeiter dürfen nur dann mit den Aufgaben betraut werden, wenn sie sachkundig sind und über die für die Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit verfügen.
Die BaFin soll sowohl den Qualifikationshintergrund als auch die persönliche Zuverlässigkeit der registrierten Mitarbeiter überprüfen und gegebenenfalls einschreiten dürfen. Erfüllt ein Mitarbeiter diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr, ist die BaFin befugt, dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu untersagen, den Mitarbeiter in der angezeigten Tätigkeit einzusetzen.
Beschwerden auf Grund der Tätigkeit eines Anlageberaters, die gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen erhoben werden, sind der BaFin unter Nennung des Namens des Mitarbeiters anzuzeigen.
Verstößt ein Mitarbeiter gegen die Bestimmungen des sechsten Abschnitts des WpHG, kann die BaFin das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und den Mitarbeiter verwarnen oder den Einsatz des Mitarbeiters für eine Dauer von bis zu zwei Jahren in der angezeigten Tätigkeit untersagen.
Anordnungen, die eine der vorgenannten Untersagungen oder die Verwarnung umfassen, kann die BaFin, sobald sie unanfechtbar geworden sind, auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt machen, es sei denn, diese Veröffentlichung wäre geeignet, den berechtigten Interessen des Unternehmens zu schaden.
Die BaFin führt eine interne Datenbank über die anzuzeigenden Mitarbeiter und ihnen zugeordnete Beschwerdeanzeigen.
2. Erweiterte Meldepflichten
Zu Verbesserung der Kapitalmarkttransparenz wurden neue Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für bislang nicht erfasste Transaktionen eingeführt. Damit soll verhindert werden, dass in intransparenter Weise größere Stimmrechtspositionen aufgebaut werden, etwa im Rahmen von Übernahmetransaktionen.
Die neuen Meldevorschriften erstrecken sich insbesondere auf Finanzinstrumente, die lediglich einen Zahlungsausgleich, jedoch kein Recht auf den Erwerb von Aktien vorsehen. Erfasst werden auch Stillhalterpositionen von Verkaufsoptionen, Rückforderungsansprüche des Darlehensgebers eines Wertpapierdarlehens und Rückkaufvereinbarungen bei Repo-Geschäften.
3. Regelung für offene Immobilienfonds
Weiterer Kernpunkt des Regierungsentwurfes ist die Änderung gesetzlicher Vorgaben für offene Immobilienfonds.
3.1. Mindesthaltefristen
Für offene Immobilienfonds gilt nach § 80c Abs. 3 und 4 InvG-E, sobald Anteilsrückgaben EUR 5.000,00 pro Monat für den Anleger übersteigen, eine Mindesthaltefrist von zwei Jahren. Danach schließen sich weitere zwei Jahre an, in denen der Anleger Rücknahmeabschläge des Anteilswerts hinnehmen muss (10% im dritten Jahr und 5% im vierten Jahr).
3.2. Immobilienbewertung
Immobilienfonds sind gehalten, Immobilien zukünftig in kürzeren Abständen zu bewerten. Alle Immobilien müssen zu jedem Ausgabe- und Rücknahmetermin aktuell bewertet sein.
Viel diskutierte Inhalte des Schäuble-Entwurfes sind hingegen weggefallen, wie z. B. das Verbot ungedeckter Leerverkäufe und Transparenzvorschriften für gedeckte Leerverkäufe. Auch die Initiative des Schäuble-Entwurfes, den sogenannten grauen Kapitalmarkt durch stärkere Regulierungen auszutrocknen, namentlich geschlossene Fonds und ähnliche Anlageformen anderen Finanzinstrumenten im Sinne des Kreditwesengesetzes gleichzustellen, ist im Regierungsentwurf nicht mehr enthalten. Dieses Vorhaben hätte zur Folge gehabt, dass der Vertrieb nur noch Banken und Finanzdienstleistungsinstituten mit einer Erlaubnis gemäß § 32 KWG gestattet gewesen wäre.
Stellungnahme:
Die geplante Registrierung von Anlageberatern, Vertriebsbeauftragten und Compliance-Beauftragten wird bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen erhöhten Handlungsbedarf auslösen. Die drastischen Sanktionsmöglichkeiten bilden hohe Anreize, die Pflichten des 6. Abschnitts des WpHG einzuhalten. Allen voran die Möglichkeit der Veröffentlichung von Verstößen, zumal ein Widerspruch gegen die zugrundeliegenden Anordnungen keine aufschiebende Wirkung hat. Die aufsichtsrechtliche Bürokratie wird weiter zunehmen.
Ob sich Anleger mit den Produktinformationsblättern intensiver auseinandersetzen werden als mit den bisherigen Produktinformationen und Factsheets, darf bezweifelt werden.
Geschlossene Fonds anderen Finanzinstrumenten im Sinne des Kreditwesengesetzes gleichzustellen wäre eine existenzbedrohliche Maßnahme für Marktteilnehmer ohne KWG-Zulassung gewesen. Dieser Teil der Finanzdienstleistungsbranche darf – vorerst – aufatmen.
Dass die geplanten drastischen Beschränkungen der Leerverkäufe im nationalen Alleingang wirkungslos wären, ist eine überfällige Einsicht.
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